Fitnesssucht: Eine Krankheit unserer Zeit
Einen tollen Körper zu haben, bedeutet sexy zu sein, erfolgreich und glücklich. Darin sehen viele den Sinn des Lebens. Um zum richtigen Ergebnis zu kommen, wird verzichtet, gefastet und vor allem auch Sport getrieben. Gegen Bewegung an sich ist nichts einzuwenden, im Gegenteil, die ist sogar sehr gesund. Wenn aber exzessives Sporttreiben mit einer Essstörung einhergeht, ist dies ein Alarmzeichen. Symptome Sie fühlen sich schuldig, wenn Sie nicht jeden Tag 15 Kilometer joggen. Sie heben Gewichte bis zum Muskelversagen und lassen Verabredungen sausen, um länger zu trainieren. Drei Stunden Aerobic ohne Pause, danach noch 30 Minuten auf dem Fahrrad und ein Stündchen auf dem Stepper – gerade von jungen Frauen sind deutsche Fitnesscenterbetreiber solche Anblicke gewöhnt. Der Körper ist schon längst ausgepowert, der Kopf befiehlt aber weiterzumachen. In amerikanischen Studios hat man schon eine Bezeichnung für derartige Fälle. Sie werden dort ‚permanent residents’ - ständige Bewohner – genannt. Sport wird zur Droge, und viele Experten sind deshalb sehr besorgt. Denn die Zahl der Betroffenen wächst. Potentielle Gefahrengruppe Besonders gefährdet sind Menschen, die unter einer Essstörung leiden, ehemalige Alkoholiker und Raucher die eine „gesündere“ Abhängigkeit gewählt haben. In den modernen Fitnesscentern ist fast jedes Trainingsgerät mit einem Kalorienanzeiger ausgestattet. Oft wird das Training deshalb zum kalkulierten Energieverbrennen eingesetzt. Experten warnen vor der Sport-Bulimie: Betroffene trainieren so lange, bis jede Kalorie, die sie vorher zu sich genommen haben, verbraucht ist: „Statt zu erbrechen, trainieren sie die Kalorien ab,“ so Dr. Petra Platen von der Sporthochschule Köln. Während nach einer medizinischen Erhebung 60 Prozent der Amerikaner viel zu wenig oder gar kein Sport betreiben, ruiniert sich eine kleine Minderheit auf der ewigen Jagd nach dem perfekten Körper die Gesundheit - von Muskelzerrungen über verstauchte Fußgelenke bis hin zu totaler körperlicher Erschöpfung. Gesundheitliche und soziale Folgen Die Folge ist nicht nur völliger physischer Zusammenbruch, sondern auch soziale Vereinsamung. Bei den Sport-Junkies steht Fitness an erster Stelle. Erst lange danach kommen der Partner oder Freundschaften. Die Zwischenmenschlichkeit wird von den Betroffenen zunächst nicht unbedingt vermisst. Obwohl sie beim Training allein unter vielen sind, sind sie dort oft glücklicher als in zwischenmenschlicher Gesellschaft. Dahinter steckt eine einfache chemische Reaktion. Beim Sport produziert der Körper in hohem Maße Endorphine. Das sind körpereigene Glücksstoffe, die den Sportler in einen Zustand versetzen, der einem Rausch gleichkommt. „Die Bio-Droge Endorphin allein macht nicht abhängig, weder körperlich noch geistig. Eine Sucht besteht nur dann, wenn jemand sein Pensum nicht mehr einschränken kann, oder die Dosis sogar steigern muss“ äußerte sich der Offenbacher Psychologe Werner Gross gegenüber der Frauenzeitschrift Brigitte. Gegenmaßnahmen Fitnesstrainer, die auf eine betroffene Person aufmerksam geworden sind, müssen diese sehr behutsam ins Gespräch ziehen. Oft wirkt es positiv auf die Betroffenen, die Risiken von zuviel Sport zu erwähnen. Übertriebener Sporteifer baut nämlich nicht nur Fett ab, sondern auf die Dauer auch die Muskeln. Die Leistungsfähigkeit lässt irgendwann nach, an ihre Stelle tritt permanente Schlappheit. Außerdem sind Pickel und Falten eine häufige Folge dauernder körperlicher Erschöpfung. Wenn jemand über lange Zeit so mit sich umgeht, ist frühzeitiger Verschleiß von Knochen, Bändern und Sehnen programmiert. Bei Frauen, die zusätzlich an Magersucht oder Bulimie leiden, kann durch den exzessiven Sport der Körperfettanteil extrem absinken. Das Ausbleiben der Menstruation ist ein ernstzunehmendes Warnsignal, denn es kann eine Hormonstörung vorliegen, die später zu Knochenschwund führen kann. Ach ja, und dann lässt noch die Lust auf Sex nach – die kann man sich nämlich regelrecht abstrampeln.